Ein Afrikaner in Grönland – Tété-Michel Kpomassie

Dies ist die wahre Geschichte von Tété-Michel, der in Togo aufwächst und als Kind im Wipfel einer Palme von einer Python angegriffen wird. Er wird daraufhin den Priestern eines Schlangenkults versprochen.

Als er ein Buch über Grönland in die Finger bekommt, steht für ihn fest: ein Land ohne Bäume und Schlangen – da muss er hin!

Michels Kindheit in Togo liest sich sehr interessant, vor allem weil ich bisher absolut nichts über Togo wusste. Er zeichnet kein Bild des gesamten Landes, sondern erzählt eindrücklich von seiner eigenen Familie, der Organisation eines Haushalts mit mehreren Ehefrauen und vielen Kindern, und der Arbeit als Palmenwedel-Sammler wenn er nicht gerade in der Schule ist.

Ich habe versucht, die Kokosplantagen bei Lomé, von denen er berichtet, auf Google Maps zu finden, um seinen Weg nachzuzeichnen. Doch die gesamte Küste ist heute mit Siedlungen zugebaut, und man findet die Palmenhaine auf Satellitenbildern nicht mehr. Darauf geht er im Nachwort zum Buch auch ein, als er nach Togo zurückkehrt und fremde Leute nach dem Weg zu seinem eigenen Elternhaus fragen muss.

Michel reist quer durch Westafrika und macht mehrmals länger Station in verschiedenen Ländern, bevor er über Frankreich und Dänemark endlich in Grönland ankommt. Bis dahin liest sich das Buch flüssig und unterhaltsam.

In Grönland angekommen, wird er schnell mit den fremden Gepflogenheiten und Umständen konfrontiert. Er passt sich schnell an, und steckt die meisten Dinge, die eigentlich einen Kulturschock auslösen müssten, locker weg. Dabei hilft ihm seine Begeisterung für Land und Leute, und sein ausgeprägtes Sprachtalent, das ihm ermöglicht, schon bald mit den Einheimischen in ihrer eigenen Sprache zu kommunizieren.

Doch natürlich gibt es auch Erlebnisse, die er am Anfang nicht versteht und nicht nachvollziehen kann. So erwischt er zum Beispiel seine neue Freundin mit einem anderen Mann im Bett, und ist empört und verletzt ob des offensichtlichen Betrugs. Mit der sexuellen Freizügigkeit der Grönländer muss er erst einmal klarkommen, und auch später erwähnt er immer in seinem Bericht, dass Kinder verschiedener Familien oft unterschiedliche Väter haben und einfach vom Ehemann der Mutter mit aufgezogen werden wie die eigenen. Er hat selbst auch kurze Affairen, geht jedoch nicht wieder eine – in seinen Augen – festere Beziehung ein, wie mit dem Mädchen, das ihn am Anfang so enttäuscht hat.

Er beschreibt das Leben der Grönländer so, wie er es erlebt. Dabei lässt er nicht aus, dass es mitnichten immer dem romantischen Bild entspricht, das Außenstehende oft haben. Die Häuser sind klapperig und kalt, die Schlittenhunde eine ungezähmte Meute, es gibt keine Kanalisation, zwischen den Gebäuden türmt sich Unrat, der einfach weggeworfen wird. Trotzdem schafft er es, allem eine interessante Erfahrung abzugewinnen. Egal ob er an Feierlichkeiten teilnimmt, Eisfischen geht, Robben jagt oder auf endlose Kaffeebesuche geht, er passt sich an und fügt sich in die Gesellschaft ein.

So reist er in Etappen immer weiter nach Norden, mit dem Ziel, in Thule sesshaft zu werden. Hier wurde das Buch streckenweise zäh und Dinge wiederholten sich mehrfach. Einerseits führt es dem Leser eindrücklich vor Augen, dass das Leben in Grönland nun einmal keine Party ist, aber als Leser habe ich mich stellenweise gelangweilt, wenn wir zum fünften Mal auf dem Fjord angeln sind und irgendwie nichts passiert. Aber so ist die Polarnacht vielleicht nun mal.

Teilweise wurde mir das Buch auch etwas zu grafisch in den Beschreibungen, es gibt mehrere Stellen, wo Dinge im Zusammenhang mit Fäkalien oder anderen Sachen, die ich nicht wissen wollte, im Detail beschrieben werden. Ich habe ein paarmal gedacht „Das hätte er jetzt nicht aufschreiben müssen…“ Offenbar haben sie bei Michel aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Ob Michel es nach Thule schafft, müsst ihr selber lesen!

ISBN: 978-3492115230
Verlag: Piper
Erschienen: 1. Januar 1981
Seiten: 312 Seiten
Preis: ab 7 Euro

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