Beside Myself – Ann Morgan

Wer kennt nicht die Geschichte vom doppelten Lottchen, dem Zwillingspaar, das die Plätze tauscht um die getrennten Eltern besser kennenzulernen?

Helen und Ellie sind eineiige Zwillinge, und tauschen für einen Tag die Rollen. Die willensstarke Anführerin Helen mimt eine tollpatschige Ellie, und Ellie schlüpft in Helens Rolle. Doch was als ein Spiel beginnt, wird für Helen schnell zum Albtraum:

Ellie weigert sich, wieder zurückzutauschen, und spielt ihre Rolle als falsche Helen so gut, dass ihr alle glauben. Die echte Helen bleibt in der falschen Identität gefangen.

Der Schreibstil war ungewöhnlich, passte aber hervorragend zum Buch. Es gibt zwei Erzählstränge: zum einen Helens Gegenwart, erzählt in der 3. Person Präteritum wie ein üblicher Roman. Sie vegetiert als Erwachsene in einer vermüllten Sozialwohnung vor sich hin, geplagt von psychischen Problemen und Alkoholsucht. Da ihr der Name Helen durch den Tausch gestohlen wurde, nimmt sie sich selbst mittlerweile nur noch als ‚Smudge‘ (Schmutzfleck) wahr.

Zum anderen wird ihr Werdegang nach dem Tausch aufgerollt, und zwar in der 2. Person Präsens. Es ist schnell klar, dass hier eigentlich die Vergangenheit erzählt wird, aber durch die Wortwahl ist man direkt am Geschehen und erlebt alles hautnah mit, was Smudge seither wiederfahren ist. Immer bemüht, ihre wahre Identität wiederzuerlangen, doch von allen unverstanden, flüchtet sie sich in Rebellion und Alkohol. Doch selbst als sie ein eigenständiges Leben beginnt, kann sie sich nicht wieder als Helen ausgeben, da Ellie unter ihrem Namen berühmt wird.

Beide Zeitebenen sind spannend und voller Wendungen. Ich wollte sowohl wissen, was weiter mit Smudge und Ellie in der Gegenwart passiert, als auch die Lücken füllen, die mir noch fehlten, um zu erfahren wie Smudge wurde, wer sie jetzt ist. Am liebsten hätte ich beide Stränge auf einmal und gleichzeitig konsumiert. Die Kapitel wechseln sich ab, so dass man nie lange warten muss, bis es im anderen Strang weitergeht.

Es wird nicht erwähnt, zu welcher Zeit das Buch spielt, und Dinge wie eine bestimmte Mode bei der Kleidung oder ähnliches werden geschickt vermieden, so dass Smudge in der Gegenwart durchaus JETZT sein kann, wann immer man das Buch liest. Auch das Alter der erwachsenen Zwillinge wird in der Geschichte nicht genau definiert. Beim Tausch sind sie 6 Jahre alt, und allein der Klappentext verrät uns, dass die Ereignisse, die Smudge überrollen, 25 Jahre später stattfinden. Helen und Ellie müssten also in der Gegenwart 31 sein, und so in etwa habe ich sie mir beim Lesen auch vorgestellt.

Die psychischen Probleme, die Smudge plagen, werden sehr gut dargestellt. So kann man die Stimmen, die sie hört, lesen, und auch ihre manischen Episoden werden so beschrieben, wie sie sie empfindet, und wie sie für Smudge ganz logisch erscheinen. Auch der Umstand, dass sie sich immer wieder selbst sabotiert, wenn es mal gut läuft, weil ihre vermeintlich gerade stabile Situation eigentlich auf einem Lügenkonstrukt basiert, aus dem sie nicht mehr herauskommt, ist nah an der Realität einer manischen Persönlichkeit.

Das Buch hat mir außerordentlich gut gefallen.

ISBN: 978-1-4088-7031-0
Verlag: Bloomsbury
Erschienen: 14. Januar 2016
Seiten: 416
Preis: 13 Euro

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